Fortpflanzung des Pferdes

Stuten werden mit 15-18 Monaten geschlechtsreif und nach 3-4 Jahren für die Zucht verwendet. In der Zeit zwischen November und Januar befinden sich die Stuten in einem Stadium der sexuellen Ruhe, wo sie keine Rosseerscheinungen zeigen und die Eierstöcke inaktiv sind. Nach einer Übergangsphase zeigen die Stuten zwischen Februar und August mit zunehmender Tageslichtlänge Brunstsymptome. Ein Brunstzyklus dauert im Mittel 21 Tage, davon befindet sich die Stute durchschnittlich 7 Tage lang "in Rosse" und zeigt mehr oder weniger deutliche Begattungsbereitschaft ("Blitzen", Durchdrücken des Rückens, Anheben des Schweifes, häufiger Urinabsatz in kleinen Mengen). Stuten, die keine deutlichen Rosseerscheinungen zeigen, sollten einem Hengst vorgeführt werden.

Ultraschalluntersuchung durch den Tierarzt, künstliche Besamung

Der Tierarzt kontrolliert vor und während der Rosse mittels Ultraschall die Eierstöcke (Ovarien) und die Gebärmutter (Uterus). Durch die Voruntersuchung können Störungen und Erkrankungen der Eierstöcke (Tumoren, Zysten, persistierende Gelbkörper etc.) und der Gebärmutter (Gebärmutterentzündung/Endometritis, Endometriums-Zysten etc.) erkannt und ggf. therapiert werden.
Während der Rosse kann der Tierarzt anhand der Grösse der heranreifenden Follikel (Eiblasen) und den Rosseerscheinungen den Ovulationszeitpunkt relativ genau bestimmen. Der grösste Follikel reift zum sprungreifen Follikel heran (Ø30-45mm). Der Eisprung (Ovulation) dauert nur kurz und findet ca. 24 Stunden vor Ende der Rosse statt. Idealerweise sollte eine Besamung einmal vor und ein weiteres Mal nach dem Eisprung erfolgen, da so die Chancen für eine Trächtigkeit am höchsten sind.
Eine künstliche Befruchtung(KB) mit Frischsamen, konserviertem Sperma oder Tiefgefriersperma ist möglich und bietet einige Vorteile gegenüber dem Natursprung:
1. Die Übertragung von Geschlechtskrankheiten wird praktisch ausgeschlossen. Durch Zugabe von Antibiotika und Samenextendern mit Schutz- und Nährstoffen für die Spermien wird eine Verunreinigung des Uterus mit Bakterien (Abortgefahr) reduziert und die Trächtigkeitsrate verbessert.
2. Die beim Natursprung vorhandene Verletzungsgefahr für Stute und Hengst ist nicht vorhanden.
3. Die Konzeptionsraten sind i.d.R. höher als beim Natursprung, da die Spermien direkt in die Gebärmutter verbracht werden und nur noch einen kurzen Weg zur Eizelle zurücklegen müssen.

Die Trächtigkeit

Die befruchtete Eizelle kann ab dem 9.-13. Tag nach dem Eisprung mittels Ultraschall als flüssigkeitsgefüllte Kugel mit einem Durchmesser von 5-12 mm dargestellt werden. Die Fruchtblase wächst täglich 3-4 mm und ab dem 21. Tag ist der Embryo zu erkennen. Ab dem 25. Tag ist die Herztätigkeit des Embryos sichtbar. Eine bestehende Zwillingsträchtigkeit sollte möglichst früh diagnostiziert (15.-18. Tag) und ggf. die kleinere Fruchtblase zerdrückt werden (am besten vor dem 20. Tag, sonst besteht die Gefahr, dass auch die verbleibende Fruchtblase abstirbt). Ist dies nicht möglich sollte man die Trächtigkeit durch Gabe von Hormonen beenden, da häufig Komplikationen im Verlauf einer Zwillingsträchtigkeit auftreten:
- Abort und Nachgeburtsverhaltung
- Schwergeburten
- Geburt lebensschwacher Fohlen, unterentwickelte und für Krankheiten anfällige Fohlen
Wird eine normale Einlingsträchtigkeit diagnostiziert, sollte durch eine Nachuntersuchung am 30. Tag ein mögliches Absterben des Embryos (Resorption) ausgeschlossen werden. Nach diesem Zeitpunkt ist ein Absterben des Embryos nicht mehr sehr wahrscheinlich.
Die Trächtigkeit dauert durchschnittlich 340 (+/- 14) Tage.

Geburt, Nachgeburtsphase, Versorgung des Fohlens

Im letzten Monat der Trächtigkeit beginnt das Euter (die Milchdrüsen) mit der Produktion von Kolostrum (=die erste Milch/Biestmilch) und nimmt stark an Grösse zu. 24-96 Stunden vor der Geburt sind die sog. Harztröpfchen an den Zitzen sichtbar.
Unmittelbar vor der Geburt wird die Stute unruhig, wandert in der Box hin und her, scharrt mit den Vorderbeinen und zeigt aufgrund der beginnenden Wehen oft kolikähnliche Symptome. Wenn die sog. Stellwehen einsetzen legt sich die Stute ab, in der Scheide wird die bläuliche Allantois (=embryonaler Harnsack) sichtbar, die mit dem Beginn der Schubwehen reisst. Durch die Bauchpresse unterstützt die Stute die Wehen und bald wird die bläulich-weisse Fruchtblase sichtbar, in der die Vorderbeine des Fohlens zu erkennen sind. Nach Platzen der Fruchtblase folgen schnell Kopf, Schultern und das Becken (sollte 15 Min. nach Platzen der Fruchtblase kein Fortschritt bei der Geburt zu erkennen sein, liegt ein Geburtsstörung vor z.B. Wehenschwäche, Lageanomalien des Fohlens etc.; unbedingt Tierarzt verständigen!). Ist das Fohlen geboren, ruht die Stute eine Weile aus, während über die Nabelschnur dem Fohlen Blut zugeführt wird. Die Nabelschnur reisst von selbst, wenn die Stute oder das Fohlen aufsteht (nicht abreissen!).
Sollte die Nachgeburt innerhalb 3 Stunden nach der Geburt nicht abgehen, muss eine tierärztliche Behandlung eingeleitet werden, um eine bakterielle Infektion zu vermeiden (Tetanus!).
Während dieser Zeit kann man das Fohlen trockenreiben, den Nabel mit Jod desinfizieren und für die Stute frisches Heu und Wasser (evtl. mit Elektrolytzusätzen) bereitstellen. Die Box sollte gereinigt und frisches Stroh eingestreut werden. Das Fohlen sollte möglichst innerhalb 2 Stunden nach der Geburt aufstehen und an der Stute saugen, um die sog. Biestmilch (Kolostrum) aufzunehmen. Diese enthält grosse Mengen an Antikörpern der Stute (siehe Impfung von tragenden Stuten ), die vom Fohlen über den Darm aufgenommen werden und es bis zur Funktionsfähigkeit seines eigenen Immunsystems vor Krankheiten schützen (siehe Impfung von Fohlen). Innerhalb der nächsten 12 Stunden sollte ein Betreuer darauf achten, dass das Fohlen das sog. Darmpech (Mekonium/erster dunkelgefärbter Kot) und Urin absetzt und regelmässig an der Stute saugt (ca. alle 40 Minuten). In den ersten 24 Stunden nach der Geburt ist der Darm des Fohlens für die Aufnahme von Antikörpern aus dem Kolostrum der Stute offen, danach schliesst sich die "Darmschranke". Deshalb ist es ausserordentlich wichtig, dass das Fohlen während dieser Zeit so oft wie möglich an der Stute saugt! Schwache Fohlen, die nur wenig oder gar nicht saugen können sind anfällig für Infektionskrankheiten (Durchfall, Lungenentzündung etc.). Gibt die Stute keine Milch (z.B. wegen Euterentzündung), ist der Antikörpergehalt der Biestmilch zu gering oder bei Verenden der Stute kann Kolostrum anderer Stuten (Kolostrumbank) oder angepasste Kuh-Kolostralmilch (640 g Kuhmilch + 320 g Wasser + 35 g Milchzucker + 1500 IE Vitamin A + 300 IE Vitamin D) zur Versorgung des Fohlens herangezogen werden. Auch die Fütterung mit speziellen Fohlenmilchpräparaten in Kombination mit passiver Immunisierung mittels Schluckvakzine gegen Durchfallerreger ist möglich.